Schauspieler*innen können Angestellte oder Unternehmer sein.
- Wenn Schauspieler*innen als unselbständige Beschäftigte (Angestellte) einzuordnen sind und angestellt werden müssen, sind ihre Leistungen nicht umsatzsteuerbar.[1]
- Wenn Schauspieler*innen allerdings selbständig tätige Unternehmer sind und ihr Vorjahresumsatz (nicht Gewinn) EUR 17.500,00 übersteigt, müssen sie Umsatzsteuer abführen. Das gleiche gilt für die Unternehmen, die mit im Ausland ansässigen Schauspieler*innen Verträge abschließen (Reverse-Charge Verfahren, § 13 b UStG).
Das Umsatzsteuerrecht sieht allerdings verschiedene Ausnahmen vor. Gem. § 4 Nr. 20 a UStG sind Umsätze bestimmter öffentlicher Einrichtungen, die kulturelle Aufgaben wie Theater, Orchester etc. wahrnehmen, umsatzsteuerfrei. Kulturbehörden der Bundesländer können so genannten gleichartigen Einrichtungen bescheinigen, dass sie ebenfalls kulturelle Aufgaben wahrnehmen. In der Folge müssen auch diese keine Umsatzsteuer abführen.
Fraglich ist allerdings, wer eine „gleichartige Einrichtung“ ist, insbesondere, ob auch Schauspieler*innen „gleichartige Einrichtungen“ im Sinne der Vorschrift sind, und Behörden diesen Schauspieler*innen eine entsprechende Bescheinigung ausstellen können, mit der Folge, dass das das Finanzamt in der Regel feststellt, dass auch sie keine Umsatzsteuer abführen müssen.
Die Frage scheint mittlerweile in der Praxis geklärt zu sein. Viele der zuständigen Kulturbehörden bescheinigen, dass auch Einzelkünstler*innen „gleichartige Einrichtungen“ sein können. Der Weg dahin führte allerdings über mehrere gerichtliche Entscheidungen. Dazu gehört insbesondere ein Urteil des EUGH vom 3. 4. 2003 – C-144/00. Der EUGH stellte zu den Europäischen Vorschriften, die lediglich im deutschen Umsatzsteuerrecht umgesetzt werden, folgendes fest:
- Solisten können kulturellen Dienstleistungen im Sinne der Vorschrift des Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der sechsten Richtlinie ausüben und können demnach gleichartige Einrichtungen sein. [2]
Der EuGH beurteilte aber lediglich einen Einzelfall. Seinem Urteil ließ sich nicht eindeutig entnehmen, wer die Anforderungen eines Solisten erfüllt. Ging es dem EuGH um Solisten, die eine herausragende künstlerische Stellung innehaben? Oder eröffnete der EuGH den Ausnahmetatbestand auch auf Einzelkünstler*innen, die nicht über eine dem klassischen Solisten gleichgestellte herausgehobene Stellung verfügten?
Das Bundesministerium der Finanzen griff das Urteil des EuGH in seinem Schreiben vom 31.07.2003 auf. Es stellte fest, dass auch die Leistung von Einzelkünstler*innen unter den Ausnahmetatbestand des § 4 Nr. 20 a UStG fallen kann.[3] Das Bundesministerium der Finanzen differenzierte in dem Schreiben aber nicht zwischen Einzelkünstler*innen, die einen solistischen Auftritt haben, und jenen, die nicht über eine entsprechende herausgehobene Stellung verfügen.
Der BFH hat diese Diskussion zumindest für den Musikbereich mit Urteil vom 18.02.2010 – V R 28/09 beantwortet. In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte das Orchester eine Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 a UStG erhalten, auf der die Namen der einzelnen Orchestermusiker*innen aufgelistet waren. Die einzelnen Orchestermusiker*innen hatten keine gesonderte auf sie persönlich ausgestellte Bescheinigung nach § 4 Nr. 20 a UStG. Das Gericht führte aus, dass
- Orchestermusiker gegenüber dem Orchester kulturelle Dienstleistungen im Bereich der Orchestermusik erbringen. Es handele sich bei den Leistungen der Orchester um kulturelle Dienstleistungen gem. § 4 Nr. 20 Buchst. a Satz 1 UStG. Nach der Rechtsprechung des EuGH sei eine unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Solisten und kulturellen Gruppen nicht zu rechtfertigen, demnach seien auch die Leistungen einzelner Orchestermusiker gegenüber ihrem Orchester als kulturelle Dienstleistung anzusehen.
- Nebenbei verwarf das Gericht seine Rechtsprechung aus einem Urteil des BFH vom 24.02.2000 – VR 23/99, wonach zwei Einzelmusiker*innen (DUO) kein Orchester sein könnten.
Infolge des Urteils wurde der Umsatzsteueranwendungserlass für Orchester geändert.[4] Dort heißt es nun:
Zu den Orchestern, Kammermusikensembles und Chören gehören alle Musiker- und Gesangsgruppen, die aus zwei oder mehr Mitwirkenden bestehen. Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe n MwStSystRL ist dahin auszulegen, dass der Begriff der „anderen anerkannten Einrichtungen“ als Einzelkünstler auftretende Solisten und Dirigenten nicht ausschließt (vgl. auch EuGH-Urteil vom 3.4.2003, C-144/00, BStBl II S. 679). Demnach ist auch die Leistung eines einzelnen Orchestermusikers gegenüber dem Orchester, in dem er tätig ist, als kulturelle Dienstleistung eines Solisten anzusehen (vgl. BFH-Urteil vom 18. 2. 2010, V R 28/08, BStBl 2010 II S. 876).
Der BFH hat das Urteil des EuGH also dahingehend ausgelegt, dass auch Einzelmusiker*innen ohne eine herausgehobene solistische Stellung innerhalb eines Orchesters gleichartige Einrichtungen im Sinn des § 4 Nr. 20 a UStG sein können. Hieraus kann der Schluss gezogen werden, dass der Begriff „Solist“ im Sinne von Einzelkünstler*in und nicht im Sinne einer oder eines durch einen solistischen Auftritt besonders hervorgehobenen Künstlerin oder Künstlers zu verstehen ist.
Überträgt man diesen Gedanken auf den Theaterbereich, müssen auch einzelne Schauspieler*innen (ohne dass sie über eine solistische Stellung innerhalb einer Gruppe oder eines Ensembles verfügen) „gleichartige Einrichtungen“ sein.
Eine entsprechende Entscheidung des BFH existiert – soweit ersichtlich – bisher aber nicht. Auch die Umsatzsteueranwendungserlasse bzw. die juristische Literatur haben diese für die Praxis so wichtige Frage bisher nicht eindeutig beantwortet. Der BFH hat lediglich in einem Urteil vom 04.05.2011 – XI R 44/08 als Beispiel für eine „gleichartige Einrichtung“ einen Einzelkünstler genannt, der (alleine) eine an Zuschauer*innen gerichtete Aufführung erbringt.[5] Zumindest kann man feststellen, dass diese Entscheidung jedenfalls nicht dem Schluss entgegensteht, dass auch einzelne Künstler*innen – ohne herausgehobene Stellung innerhalb einer Theatergruppe oder eines Ensembles – „gleichartige Einrichtungen“ sein können.
In der Praxis scheint sich das Problem allerdings weitgehend erledigt zu haben. Der Anwendungsbereich für Schauspieler*innen ist ohnehin gering. Denn häufig sind diese angestellt oder Kleinunternehmer. Die Finanzverwaltung sowie die Kulturämter sind in den übrigen wenigen verbleibenden Fällen meist dazu übergegangen, auch Einzelkünstler*innen ohne solistischen Auftritt zu befreien. Das haben gegenüber der Verfasserin dieses Artikels ausdrücklich die zuständigen Behörden folgender Länder telefonisch bestätigt: Baden-Württemberg; Berlin; Hamburg; Hessen; Niedersachsen; Münster; Sachsen; Sachen-Anhalt; Schleswig-Holstein. Für alle Schauspieler*innen bestehen also gute Chancen, dass auch die Kulturämter der anderen Bundesländer in diesem Sinne entscheiden und die Finanzämter dieser Entscheidung folgen.
Vor diesem Hintergrund empfehlen wir: Schauspieler*innen, die selbständige Unternehmer sind und deren Vorjahresumsatz (nicht Gewinn) EUR 17.500,00 übersteigt, sollten prüfen, ob für sie eine Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 20 a UStG bei der zuständigen Kulturbehörde sinnvoll ist. Im Erfolgsfall würde das Kulturamt ihnen bestätigen, dass sie eine „gleichartige Einrichtung“ gem. § 4 Nr. 20 a UStG sind. Das hat insbesondere bei Verträgen mit im Ausland ansässigen Künstler*innen eine nicht unerhebliche Bedeutung.
Tipp: Die Bescheinigung kann auch rückwirkend beantragt werden.
[1] Vgl. der Abgrenzungskatalog, wonach Schauspieler*innen in der Regel anzustellen sind;
[2] Artikel 13 Teil A Absatz 1 Buchstabe n: bestimmte kulturelle Dienstleistungen und eng damit verbundene Lieferungen von Gegenständen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht werden;
[3] https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/89036/
[4] 4.20.2 UStAE
[5] https://openjur.de/u/387235.html